Wem gehört dieser Koffer?

Vorsicht Kritik
Kritik? Nur her damit!
19. Februar 2013
Gutschein der DB für einen Kaffee

Eine Zugfahrt, die ist lustig … Nein, über Verspätungen der Deutschen Bahn möchte ich mich hier nicht auslassen, wenngleich der ICE, in dem sich die folgende Geschichte ereignete, 14 Minuten zu spät sein Ziel erreicht hat.

Vielmehr geht es um einen dieser Momente, in denen erwachsene Mensch betonen, dass sie etwas nicht verschuldet haben, aber sich auch niemand dem eigentlichen Problem annimmt:

„Wem gehört dieser Koffer?“
„Mir nicht!“ verkündet der Herr in der Reihe vor mir.

Zum zweiten Mal ist die nette Zugbegleiterin im vollbesetzten Großraumwagen zur Kontrolle erschienen. Nur diesmal versperrt ihr ein ungeschickt abgestellter Koffer den Weg. Die Frage schallt nun deutlich lauter durch den Waggon: „Wem gehört dieser blaue Koffer hier, der den Durchgang versperrt?“.

Es folgt, was folgen muss:
„Nein, das ist nicht unser Koffer!“ lässt die Dame am Tisch alle Mitreisenden wissen.
Der grauhaarige Herr ihr gegenüber konkretisiert: „Unser Koffer ist schwarz!“. Sie nickt.

Vater und Sohn am Tisch gegenüber schauen sich kurz an, schütteln beide den Kopf und fahren mit ihrer Lektüre fort.

Aus dem Hintergrund wird ein Vorschlag unterbreitet: „Na dann räumen Sie den Koffer doch aus dem Weg!“.

Gekonnt übergeht die Zugbegleiterin diesen Einwurf und stellt die nötige Konsequenz in den Raum: „Wenn dieser Koffer niemandem gehört, muss ich ihn wohl zur Fundsache erklären und damit entfernen. Hier im Weg kann er in keinem Fall stehen bleiben.“.

Zack, das hat gesessen! Es kommt Bewegung ins Geschehen: Ein junger Herr steht auf, zieht sich die Kopfhörer von den Ohren, schaut den Koffer an, lächelt erleichtert und geht mit den Worten „Nein, das ist nicht mein Koffer“ zurück an seinen Platz.

Ich greife amüsiert in diese Szene ein: „Dürfte ich den offensichtlich herrenlosen Koffer in die Gepäckablage dort oben legen? Dann wäre der Gang frei und …“. Noch bevor der Satz beendet ist, erfolgt die prompte Zustimmung der Zugbegleiterin: „Gerne!“. Der Koffer ist schnell verstaut und während ich mich wieder hinsetze, ergänzt sie unüberhörbar „Wissen Sie was, junger Herr, ich lade Sie auf einen Kaffee ein.“, händigt mir einen Gutschein aus und geht in den nächsten Waggon.

Über 40 Menschen unterschiedlichen Alters und Geschlechts teilen sich für einige Stunden den selben Raum und eine einfache Frage führt dazu, dass sich erwachsene Menschen gegenüber Fremden erklären.

Wir verschenken viel Zeit, indem wir über „Schuld“ und „Verantwortung“ lamentieren, uns selber krampfhaft in das rechte Licht rücken und uns dabei zudem unnötigerweise rechtfertigen.

* Wer Lösungen bietet, wird belohnt – und sei es mit einem Kaffee.